Heute morgen bei einer wichtigen Sitzung bei uns Zuhause in einem Gratisblatt der Migros Namens Migros-Magazin (Vormals Brückenbauer) gelesen. Ich war absolut fasziniert von diesem Artikel da er sich in vielen Bereichen mit meiner Einstellung deckt.
Bitte lest den Artikel bis Schluss mal durch und denkt mindestens zwei Stunden darüber nach! Und es hat kein Schweizer geschrieben sondern ein Österreicher welcher in Hamburg und Berlin Lebt / Arbeitet.
Sinn dahinter: Nicht realisierbar - wenn jedoch viele sich mit diesen Zeilen identifizieren könnten...
Werft das Geld raus!
Kauft, Konsumenten, kauft: «Die Wirtschaft lebt von der Verschwendung und sollte so grosszügig sein wie die Natur», sagt «brand eins»-Mitbegründer und Buchautor Wolf Lotter.
Wolf Lotter, Mitbegründer des renommierten Wirtschaftsmagazins «brand eins», hat genug von Knausern und Neidern. In seinem Buch «Verschwendung – Wirtschaft braucht Überfluss» fährt der Provokateur den Sparaposteln an den Karren. «Wohlstand und Fortschritt», so Lotter, «waren schon immer die Folge verschwenderischen Handelns.»
Wolf Lotter, warum ist Geiz nicht geil?
Weil er der Gesellschaft schadet. Wahrscheinlich hat die westliche Welt noch nie so viel gespart wie heute. Gleichzeitig wollen wir den Wohlstand ausbauen. Das ist unmöglich, die Grundlage des Wohlstands ist der Konsum.
Sitzt Ihnen das Geld locker in der Tasche?
Gewiss. Wenn ich etwas kaufe, drehe ich nicht jeden Cent zweimal um. Ich brauche Qualität, um meine Ansprüche zu befriedigen, so wie alle anderen Menschen auch.
Konkret: Wofür geben Sie viel Geld aus?
Klamotten, Urlaub, gutes Essen, guten Wein.
Klingt wenig tiefgründig.
Ich bitte Sie. Nur weil ich gerne lebe? Die wissenschaftliche Verhaltensforschung kann nachweisen, dass wir Menschen die Knauserei verabscheuen. Hätten unsere Vorfahren nur immer das Nötigste gewollt, würden wir heute noch in Höhlen leben.
Wie definieren Sie die Begriffe Sparen und Verschwenden?
Volkswirtschaftlich wird Sparen als «nicht vollzogener Konsum» beschrieben. Die Privatwirtschaft setzt Sparen heute aber mit Wegrationalisieren gleich. Damit gehen Arbeitsplätze und Investitionen verloren. Eine verschwenderische Wirtschaft hingegen zeichnet sich durch den Mut zum Risiko aus.
Die Verschwendung ist mitverantwortlich für unsere Umweltprobleme.
Ein wichtiges Thema – das von Missverständnissen geprägt ist. Verschwenden heisst nicht blind draufloswirtschaften, verschwenden heisst viel investieren in gute Ideen. Zum Beispiel müssen wir mit Geld um uns schmeissen, um unsere Energieprobleme zu lösen. Die Umweltbewegung denkt da völlig falsch. Sie fordert die Reduktion des Konsums. Dieser Ansatz funktioniert nicht.
Weshalb nicht?
Weil er unnatürlich ist. Es gibt nichts Verschwenderisches als die Natur. Die Evolution ist ja kein kontinuierlicher Prozess. Der Meteoriteneinschlag, der vor 65 Millionen Jahren die Dinosaurier ausgelöscht hat, war die Geburtsstunde der Säugetiere. Wahrscheinlich gab es vier solche «Mass Extinctions», die jeweils fast allen Existenzen den Garaus gemacht und gleichzeitig neues Leben ermöglicht haben. Effizient ist das kaum, aber äusserst effektiv.
Michael Braungart, Gründer der Chemie-Division von Greenpeace und erfolgreicher Unternehmer, nennt dies Öko-Effektivität.
Genau. Braungart nennt das Beispiel des Kirschbaums, der jedes Jahr tausende von Blüten produziert und abwirft. So können neue Bäume keimen und Wurzeln schlagen. Niemand findet, der Kirschbaum arbeite effizient. Im Gegenteil, das ist extrem verschwenderisch. Und so funktioniert die ganze Natur.
Ist Recycling nicht besser, als alles einfachwegzuwerfen?
Nein. Damit tun wir der Natur nichts Gutes.
Aber wir können doch nicht
… Recycling heisst nichts anderes, als Abfall in Raten loszuwerden. Papier, PET und Glas werden verwässert, also schlechter gemacht. Statt die Stoffe mit einer Salamitaktik zu entsorgen, sollten wir sie möglichst lange verwenden. Wir sollten von Grund auf Rohstoffe produzieren, die möglichst lange gebraucht werden können, anstatt – wie es beim Recycling passiert – Rohstoffe mit Verschleierungsmassnahmen unschädlich zu machen.
Klingt theoretisch gut – und in der Realität?
Dieses Prinzip funktioniert. Die Sitzbezüge des neuen Airbus A-380 zum Beispiel sind umweltverträglich hergestellt und kompostierbar. Theoretisch könnte man sie sogar essen.
Nehmen wir mal an, Sie haben Recht und Verschwendung schafft Wohlstand. Dieses Prinzip werden Sie wohl kaum auch auf den Staat anwenden wollen.
Ich bin kein Freund des staatlichen Konsums. In Deutschland beträgt die Staatsquote unglaubliche 50 Prozent. Das heisst: Die Hälfte des Geldes, das den Bürgern gehört, schnappt sich der Staat. Eines Tages lebt unsere Gesellschaft nur noch vom Taschengeld. In einer solchen Gesellschaft sinkt natürlich der Wille zur Selbstverantwortung.
Sind Sie ein Neoliberaler?
Wer jemanden einen Neoliberalen schimpft, hat meist ein Interesse, alles beim Alten zubelassen. Aber ich bin tatsächlich ein Neoliberaler. Die ersten Neoliberalen waren Unternehmer im 19. Jahrhundert, die selbstbewusste Arbeitnehmer forderten. Arbeiter, die sich täglich den vielen Möglichkeiten stellen, die das Arbeitsleben bietet. Natürlich haben es die meisten Menschen gern «einfach». Aber wer sein Leben der Einfachheit verschreibt, ist ein Simpel, ein einfältiger Mensch. So kommen wir nicht weiter, Einfalt hat noch nie etwas zum Guten verändert. Welches Niveau wir erreicht haben, hat die Euphorie um die Fussball-Weltmeisterschaft gezeigt.
Wie bitte?
Dank dem guten Abschneiden an der WM auf eine wirtschaftliche Gesundung zu hoffen ist typisch deutsches Denken. Wie kann man nur auf den Gedanken kommen, dass elf Männer in kurzen Hosen das Steuer herumreissen?
Wie sieht die perfekte Gesellschaft aus?
Ich mag den Satz von Perikles: «Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit. Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.» Umgemünzt auf die heutige Zeit bedeutet dies: Wir müssen uns wieder etwas zutrauen. Dies schliesst den Mut zum Scheitern ein. Stattdessen praktizieren wir Besitzstandswahrung. Schon den Kindern wird beigebracht, bloss keine Risiken einzugehen. Und dann wundern wir uns über die Antriebslosigkeit der jungen Generation? Die Politik Deutschlands, ja aller EU-Staaten gründet auf dem Missverständnis, dass Sicherheit wichtiger sei als Freiheit. Unsere Vorväter würden sich im Grabe umdrehen.
Die Idee der EU ist unter anderem auch der friedliche Austausch von Ideen, der friedliche Wettbewerb zwischen den Nationen.
Von diesem ehrenwerten Grundgedanken ist nichts übrig. Die EU ist ein Wasserkopf, in dem 33 000 Bürokraten Vorschriften produ-zieren, anstatt den Kontinent für die Globalisierung fit zu machen.
Die Schweiz ist nicht EU-Mitglied. Das ist wahrscheinlich in Ihrem Sinn.
In der Schweiz ist das Wort Bürger noch ein Wertbegriff, in der EU ein Schimpfwort. In der Schweiz hat man noch Rechte und Pflichten, die Menschen nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand. Deutschland hingegen ist schon lange keine Leistungsgesellschaft mehr. Deutschland hat sich immer über den Wohlstand definiert. Das ist auch heute noch so, aber wenn man den Deutschen den Sozialstaat wegnähme, bliebe vom Wohlstand nichts mehr übrig – und ich fürchte vom Staat auch nicht.
Den Staat braucht es also gar nicht mehr?
Natürlich braucht es ihn. Wir brauchen in gewissen Bereichen sogar einen verschwenderischen Staat.
Aber Sie haben doch gerade gesagt, Sie seien gegen zu viel Staat.
Man muss unterscheiden zwischen Verschwendung und Vergeudung. Ein Staat etwa, der den Status quo erhalten will, vergeudet Geld. Mein Lieblingsbeispiel ist Hartz IV, die grösste Sozialreform des Arbeitslosenmarkts. Arbeitslose bekommen weniger Unterstützung, Hartz IV macht Menschen arm und nimmt ihnen das Selbstvertrauen. Die öffentliche Hand wird aber nicht entlastet, im Gegenteil, das Abenteuer Hartz IV verschlingt Milliarden.
Ein Beispiel für eine «positive» Verschwendung von Staatsgeldern?
Es ist gut, wenn der Staat in die Zukunft investiert. In Bildung, Forschung und in begeisternde Projekte. Ich befürworte ausserdem eine einmalige Staatszahlung, die so genannte Bürgererbschaft. Der amerikanische Staatsrechtler Bruce Ackermann schlägt vor, jedem US-Bürger beim Erreichen des 18. Lebensjahres 80 000 Dollar auszubezahlen. Damit hätte jeder Amerikaner, jede Amerikanerin die gleichen wirtschaftlichen Chancen, und alle würden über ein hohes Mass an Handlungsfreiheit verfügen.
...die eine Stange Geld kostet.
Nach Berechnungen von Ackermann nicht mehr als 250 Milliarden Dollar pro Jahr – weniger als für Bildung und sehr viel weniger als für Verteidigung ausgegeben wird. Nicht zu vergessen, dass mit einer Bürgererbschaft die uferlose Bürokratie des Fürsorgestaats abgeschafft würde. Dieser kostet allein Deutschland 730 Milliarden Euro pro Jahr.
Nehmen wir mal an, jeder Deutsche bekäme 80 000 Euro, bar auf die Hand. Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass die Bürger diesen Batzen auch sinnvoll einsetzen?
Die Bremer Stadtmusikanten haben sich gesagt: «Etwas Besseres als den Tod werden wir überall finden.» Sie wussten: Bleiben wir hier, werden wir geschlachtet. Also sind sie auf die Reise gegangen. Das ist der entscheidende Punkt: Ich möchte lieber einen Neuanfang, den jeder selber bestimmen kann, als einen Fürsorgestaat.
Welchen Ruf hat die Schweizer Wirtschaft?
Es gibt einen Unterschied zwischen Schweizer und deutschen Unternehmen: Schweizer wissen, dass man nur mit Qualität Geld verdient und nicht mit Discount. Das hat man im restlichen Europa nicht begriffen. Die Deutschen arbeiten und leben nach der Schnäppchenmentalität, ohne aber Abstriche am Wohlstand machen zu wollen. Das ist völlig bescheuert.
Auch in der Schweiz ist nicht alles perfekt. Das Preisniveau etwa . . .
...ist vielleicht höher als bei uns. Dafür kann man die Schweizer Lebensmittel auch geniessen. In Zürich kostet ein Restaurantbesuch zwar mehr als in Berlin, aber was Sie in Zürich auf dem Teller serviert bekommen, ist qualitativ unerreicht. Und im Vergleich zu Schweizer Kaufhäusern nehmen sich deutsche Einkaufsmöglichkeiten wie Dritt-Welt-Läden aus.
Interview Reto Knobel / Bilder Edgar Rodtmann
«Sitzen und Schreiben»
Wolf Lotter, 1962 in Österreich geboren, hat eine Lehre als Buchhändler gemacht und auf dem zweiten Bildungsweg Geschichte und Kulturmanagement studiert. Seit 20 Jahren arbeitet der in Berlin und Hamburg wohnende Lotter als Wirtschaftsjournalist. Er ist Mitbegründer und Redaktor des renommierten Wirtschaftsmagazins «brand eins» (siehe Box Seite 19). Wolf Lotter ist mit der Unternehmensberaterin Heike Arnold liiert. Die Hobbys des erklärten Nicht-sportlers sind – nach eigenen Angaben – Sitzen und Schreiben.
Das Erfolgsgeheimnis von «brand eins»
Das deutsche Wirtschaftsmagazin «brand eins» wurde 1999 von Gabriele Fischer gegründet. Die verkaufte Auflage des Monatsmagazins beträgt laut Autor und Mitgründer Wolf Lotter 85 000 Exemplare. Lotter sieht den Erfolg darin begründet, dass «brand eins» Wirtschaft und Menschen zusammenbringt: «Statt über Manager und ihre Gadgets, die Börse und andere Mythen des alten Kapitalismus zu berichten, schreiben wir, warum und wie Menschen etwas unternehmen, was sie treibt.» Wirtschaft ist laut Lotter nichts Abgehobenes: «Wirtschaft gehört zum Leben. Wir wissen genauso wenig wie andere, wie man reich wird, ohne sich besonders anzustrengen. Aber im Gegensatz zu anderen Wirtschaftspublikationen verzichten wir darauf, unseren Lesern das einzureden. Unsere Leser lassen sich nicht für dumm verkaufen.»
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